Am 16.01.2019 verstarb der langjährige Vorsitzender des RBA-NW, Jens Pletsch, mit nur 43 Jahren, nachdem er wenige Tage zuvor völlig unerwartet ins Koma gefallen war. Damit war ich als sein Stellvertreter plötzlich in die Position des Vorsitzenden aufgerückt. In meiner Lebensplanung war dies nicht vorgesehen. Jens Pletsch und ich hatten uns bewusst die Funktionen – und damit die Arbeit – als Vorsitzender des RBA-NW auf der einen und als Vorsitzender des Hauptrichterrats der Arbeitsgerichtsbarkeit auf der anderen Seite aufgeteilt. Nun hatte sich die Situation aber völlig geändert.

 

In einer eilig einberufenen Vorstandssitzung kamen wir überein, die Neuwahlen zum Vorstand nicht vorzuziehen, sondern, wie ursprünglich geplant, erst im Rahmen der regulären Mitgliederversammlung im Herbst 2019 stattfinden zu lassen. Damit war klar, dass ich zumindest in den folgenden zehn Monaten das Amt des Vorsitzenden kommissarisch ausüben würde. Es wurde mir dann aber schnell bewusst, dass  gerade das Amt eines Verbandsvorsitzenden von einer gewissen Kontinuität lebt, da eine erfolgreiche Tätigkeit persönliche Kontakte zu den anderen handelnden Akteuren voraussetzt. Solche Kontakte galt es für mich jetzt auf- und auszubauen. Dadurch reifte der Entschluss, die Tätigkeit auch über den Zeitpunkt der Mitgliederversammlung hinaus fortzusetzen. Dies stand allerdings im krassen Widerspruch zu meiner bisherigen Planung, mich langsam aus der Verbandsarbeit zurückzuziehen. Statt dies umzusetzen, erklärte ich mich also – zum Entsetzen meiner Frau – bereit, für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren.

 

Neben der Übernahme des Tagesgeschäfts bestand meine erste Herausforderung darin, die Website des RBA-NW zu aktualisieren. Was relativ banal klingt, war tatsächlich ausgesprochen schwierig, weil Jens Pletsch zugleich unser Webmaster war. Aufgrund einer im Nachhinein unverzeihlichen Blauäugigkeit aller Beteiligten hatte sich außer ihm niemand in die Pflege der Website eingearbeitet. Schlimmer noch: Es wusste auch niemand, wo er die Zugangsdaten hinterlegt hatte, die tatsächlich trotz langwieriger Suche auch nicht auffindbar waren. Ich habe mich schließlich an den Webdesigner gewandt, der die Website ursprünglich erstellt hatte. Dieser konnte mir einen Administratorzugang verschaffen, ansonsten jedoch nicht weiterhelfen, da er selbst in dem Bereich nicht mehr tätig war. Mein Versuch, die Website in Eigenregie zu bearbeiten, erwies sich mangels ausreichender Vorkenntnisse als ausgesprochen schwierig. Schlussendlich gelang es mir ausschließlich dank der Hilfe meines damals 15-jährigen Sohnes, der sehr engagiert und kompetent mitarbeitete. Innerlich habe ich dabei die ganze Zeit gebetet, dass nicht die gesamte Website unrettbar zerstört wird. Wie sich jedermann unter www.rba-nw.de versichern kann, ist dies allerdings bis heute nicht geschehen.

 

Des Weiteren musste die zweitägige Bundesvertreterversammlung unseres Dachverbandes, des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, organisiert werden, die ausgerechnet im Jahr 2019 in NRW stattfinden sollte. Auch die Planungen hierfür lagen ursprünglich in der Hand von Jens Pletsch. Mit tatkräftiger Hilfe der RBA-Vorstandskolleg/innen gelang es, diese Veranstaltung – einschließlich eines privaten Teils mit einer hochinteressanten Düsseldorf-Führung und einem Brauhaus-Besuch – erfolgreich durchzuführen.

 

Am 18.11.2019 fand sodann die Mitgliederversammlung statt, auf der ich „offiziell“ zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Zum neuen ersten Stellvertreter wurde Thomas Kühl (Arbeitsgericht Herne), zur zweiten Stellvertreterin Dr. Dorothea Roebers (Arbeitsgericht Siegburg) gewählt. Als Neuling rückte Timo Mohr (Arbeitsgericht Iserlohn) in den erweiterten Vorstand nach. Im Übrigen stellten sich alle bisherigen Vorstandsmitglieder/innen zur Wiederwahl, was mir die Amtsübernahme deutlich erleichtert hat. Die Mitgliederversammlung selbst war ein großer Erfolg. Eine Kollegin aus Baden-Württemberg hatte sich bereit erklärt, über ihre tägliche Arbeit mit der elektronischen Akte im Echtbetrieb zu referieren. Zudem berichtete der Direktor des Arbeitsgerichts Krefeld, David Hagen, über die Pilotierung von e2A. Dies ermöglichte einen interessanten Vergleich der unterschiedlichen Systeme. Nicht zuletzt deswegen waren zahlreiche Mitglieder/innen erschienen, die sich anschließend auch an der Erörterung der Verbandsthemen rege beteiligten.

 

Wenn ich eine Anfangsbilanz ziehe, kann ich betonen, dass ich die tägliche Arbeit als Vorsitzender als Bereicherung empfinde. Dies liegt vor allem daran, dass ich durch die Zusammenarbeit im Vorstand des DRB NRW, dem der Vorsitzende des RBA-NW satzungsgemäß angehört, ganz neue Einblicke in andere Gerichtsbarkeiten gewonnen habe. In manchen Bereichen (Nachwuchs, Besoldung) stimmen die Probleme mit den unsrigen überein, andere Problemfelder (etwa die Bereitschaftsdienste bei den Amtsgerichten) waren mir als Arbeitsrichter bislang fremd. Ebenso wie ich mir die Angelegenheiten der Kolleg/innen aus anderen Gerichtsbarkeiten schnell zu eigen gemacht habe, bin ich mir aufgrund der Erfahrungen im geschäftsführenden Vorstand und im Gesamtvorstand des DRB sicher, dass diese sich solidarisch für spezifische Interessen der Arbeitsrichter/innen einsetzen werden, wenn diese einmal berührt sein sollten.

 

Ich hoffe, auch die nächsten Jahre als Vorsitzender des RBA-NW bleiben so interessant wie die ersten 15 Monate. Darauf freue ich mich und möchte mich bei all denen bedanken, die mir in der ersten Zeit mit Rat und Tat beiseite gestanden haben. Ich bin mir sicher, zusammen werden wir erfolgreich weiterarbeiten und insbesondere auch die aufgrund der Corona-Krise zu erwartenden neuen Herausforderungen bewältigen.

 

Jürgen Barth

VRLAG

 

* Dieser Artikel wurde in der rista 2/20 veröffentlicht.